NEUE WIENER HOFOPER 1869
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Kapitelübersicht

Die Eröffnung der neuen Hofoper am 25.5. 1869 in Wien.

III. Der Eröffnungsmonat

Samstag, 22. Mai
"Heute wurde im neuen Opernhause eine große Decorations-Probe vorgenommen; zur Aufstellung kamen die Decorationen zum zweiten Acte der Oper "Don Juan"; morgen oder übermorgen werden die übrigen Decorationen zur Eröffnungsoper, bekanntlich alle von Brioschi gemalt, gestellt werden. Die Probe ergab ein völlig befriedigendes Resultat; die Verwandlungen wurden, wie uns Sachverständige versichern, ziemlich rasch vollzogen, was umso anerkennenswerter ist, wenn man die Größe der Objecte und den Umstand in Betracht zieht, daß die Arbeitsleute noch nicht gewöhnt sind, damit zu hantieren."

Von den "Don Juan"-Proben wird ein Ausspruch Dingelstedts überliefert, der, wenn er auch erfunden sein sollte, ein gutes Licht auf die emotionale Einstellung des Direktors zu seinem Schaffen gibt. Demnach hatte die Nervosität schon einen hohen Grad erreicht, denn erstens wusste niemand, was man von der Akustik jetzt wirklich halten sollte und zweitens kamen die Kulissenmaler ihrer Arbeit kaum mehr nach und die Fertigstellung der Wandeldekorationen, die ein Höhepunkt der Eröffnungsfeier sein sollten, den Prolog untermalend, gedieh nicht so recht. In Anbetracht des heraufdämmernden Chaos soll der Direktor folgende Worte gesprochen haben: "Was kümmert uns die ganze Geschichte? Mit e i n e r Vorstellung werden wir uns noch nicht umbringen, und wenn das Haus nichts taugt, dann packen wir es wieder zusammen und lassen es an Herrn Strampfer verpachten." Dieser Herr Strampfer(1823-1890) war niemand anders als der damalige Direktor des Theaters an der Wien (noch bis Ende Juli 1869), mit dem die erfolgreiche Wiener Operetten-Ära zu diesem Zeitpunkt bereits begonnen hatte (1865 war Jaques Offenbach's "Die schöne Helena" mit Maria Geistinger in der Titelrolle über die Bühne gegangen.)

Trotzdem oder gerade deswegen wollte man nichts dem Zufall überlassen. Wenn dazu auch eine gewisse Härte - auch gegenüber dem eigenen Personal notwendig war: "Es war bei einer der letzten Proben zum "Don Juan", (...), da hieß es, daß sich das gesammte Personale des Theaters zu dieser Probe einzufinden habe. Zu diesem Zwecke hatten sie sich Eintrittskarten abzuholen. Wie es bei solchen Gelegenheiten der Fall ist, wurde der Kartenausgeber mit Bitten bestürmt, für die Angehörigen gleichfalls Eintrittskarten zu bewilligen und mit einer überraschenden Bereitwilligkeit wurden alle diese Wünsche erfüllt. Eintrittskarten für alle Plätze wurden in Hülle und Fülle ausgegeben und als der Abend kam, war der Zuschauerraum gehörig besetzt. Neugierig harrten die Gratiszuschauer der Dinge, die da kommen werden und als das Glöckchen auf der Bühne erschallte, ging ein allgemeines "Ah" durch das Haus. Dieses "Ah" verwandelte sich in ein "O und Weh", als plötzlich der Regisseur vortrat und den Befehl der Direktion verkündigte, daß die Anwesenden den Schauplatz zu räumen haben. Da eine große Anzahl der Gäste Bedienstete des Theaters waren, so sahen sie sich gezwungen, diesem Befehle nachzukommen und auch die von ihnen Mitgenommenen mußten, wollten sie ihren Protégés keine Unannehmlichkeiten bereiten, mit ihnen den Rückzug antreten. Verdutzt fragten sie, draußen angekommen, zu welchem Zwecke man sie eigentlich in das Theater befohlen und dann wieder zur Räumung des Zuschauerraumes angewiesen habe und erhielten von einem der tonangebenden Beamten des Hauses die sie zwar nicht befriedigende, aber diese Maßregel immerhin rechtfertigende Aufklärung, daß es sich um eine Generalprobe für die - Billeteurs - gehandelt habe, welche sich nach dieser Probe ihres Amtes gewachsen erwiesen haben."

Sonntag, 23. Mai
Die Vorberichterstattung machte nicht nur den Opernfreunden den Mund wässrig. Da wurde auch diese ominösen Wandeldekoration detailliert beschrieben. Sie sollte folgende Bilder bringen: "die Ansichten des Künstlerhauses, des Schwarzenbergplatzes, des Stadtparks, des Schillerplatzes mit der projektierten Schillerstatue, den neuen Donauhafen, daß zukünftige Parlamentshaus und endlich die Skizzen der neuen Hofburg." Es war ein Blick in die Zukunft Wiens, der hier ausgehend vom neuen Opernhaus dem Publikum ermöglicht werden sollte. Dass dann, um soviel vorwegzugreifen, diese Wandeldekoration doch nicht zu sehen war, ist ein interessantes, auch in der späteren Historienschreibung der Hofoperngeschichte unterschiedlich erklärtes Detail. Offensichtlich wurde diese Dekoration kurzfristig wieder aus dem Programm gestrichen. Über das Warum gab es bereits unter den Zeitgenossen unterschiedliche Mutmaßungen.

Auch das Ankündigen der weiteren Opern, die bis Mitte Juli (dem Saisonende) noch im neuen Hause aufgeführt würden, war mehr Kaffeesudlesen, als projektierte Planung. Das Fremden-Blatt vermeinte am 23.Mai, es müssten noch folgende Werke neben dem "Don Juan" in den nächsten Wochen das Licht des neuen Hauses erblicken: "Fidelio", "Euryanthe", "Wilhelm Tell", "Freischütz" und eine Meyerbeer'sche Oper. Nun, einiges davon wurde wirklich aufgeführt.

Auch der Kartenverkauf schien ganz gut zu laufen: "Die Hoftheaterkasse hat bereits mit der Ausgabe von Karten für die dritte Vorstellung im neuen Opernhause begonnen, nachdem der Absatz der Karten für die erste und zweite Vorstellung gestern und heute außerordentlich lebhaft gewesen."
©Dominik Troger

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