URBO KUNE
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Chronik

Konzerthaus
23. Mai 2015 12.12 Uhr bis
24. Mai 2015 13.12 Uhr

Dirigent: Enno Poppe
Regie: Michael Scheidl
Ausstattung: Nora Scheidl


Klangforum Wien, Vokalensemble Nova, Ensemble Interface

Sopran - Ursula Langmayr
Sopran - Johanna von der Deken


„urbo kune“: Eine Utopie mit viel Musik
Dominik Troger

Mit einer „urbanistischen 25-Stunden-Oper“ wurde im Konzerthaus am Pfingstwochenende der „Pfingstgeist“ einer gemeinsamen Stadt beschworen, wobei man es mit der Gattungsbezeichnung nicht so genau nehmen darf. Was hier zählte, war vor allem die metaphorische Ebene des Begriffs „Oper“, als eines Ortes von multimedialer künstlerischer Betätigung, der als „Gesamtkunstwerk“ auch die Besucher gleich mit einbezieht.

Doch es wäre eine Vorspiegelung falscher Tatsachen, würde der Schreiber dieser Zeilen zuerst nicht eingestehen, von den 25 Stunden nur ungefähr sieben im Konzerthaus verbracht zu haben. Schließlich wäre es sogar möglich gewesen, im Großen Konzerthaussaal auf Matratzen zu nächtigen, vom unermüdlichen Klangforum Wien in süße Träume geleitet – er war bis auf Teile der Estradensitze leer geräumt.

Aber wozu soll „urbe kune“ (aus dem Esperanto: „Stadt gemeinsam“) überhaupt anregen? Die gemeinsame Stadt lädt dazu ein, sich als ihr/e Bewohner/in zu fühlen und in ihr die Idee einer immateriellen Weltstadt zu erahnen, in der Europa – ja der ganze Erdball – zu einer solidarischen Gemeinschaft zusammenwachsen. Als „Idee“ ist „urbo kune“ ein künstlerisches Manifest, gleichsam ein Thesenanschlag, dessen Thesen auch auf die Spiegel im großen Eingangsfoyer des Konzerthauses „aufgemalt“ worden waren: „urbo kune ist supranational und multikulturell. urbo kune ist exterritorial. urbo kune muss eine einzigartige menschengerechte und demokratische, technologisch, ökologisch und ästhetisch neuartige stadt werden.“ Nach Stationen unter anderem in Klosterneuburg, Eisenstadt, Köln lebte urbo kune im Konzerthaus immerhin einen ganzen Tag und eine Stunde lang ihren Traum vom diskriminierungsfreien, überregionalen Ort.

Bestritten wurde die Veranstaltung im Wesentlichen vom Klangforum Wien und der auf zeitgenössisches Musiktheater im weitesten Sinne spezialisierten Gruppe Netzzeit. Das Konzept der Veranstaltung mischte thematisch locker geknüpfte Vorträge mit zeitgenössischer Musik. Fragen moderner Stadtgestaltung und ökologischen Wirtschaftens traten in Beziehung zu alternativen Gesellschaftsmodellen wie das kollektive Gemeinwesen der Yanomami im brasilianischen Regenwald und Gedanken über die von Gerard Mortier einst vertretene „Kunstnotwendigkeit“. In die „Räume“ zwischen wissenschaftlichem Hinterfragen und den Selbstfindungsstrategien der von okönomischem und okölogischem Unwohlsein geplagten Europäer (Programmpunkt „Yoga bei Sonnenaufgang“) traten die Künstler des Wiener Klangforums und eine Reihe an Gästen wie das Vokalensemble Nova und das Ensemble Interface, um aus der Autonomie der Künste und ihrer vorurteilsfreien Vielfalt ein Beispiel für die Idee von urbo kune zu geben – und um den veränderungswilligen Geist auch in der Emotion zu unterstützen.

Das Programm begann am Samstag um 12.12 Uhr und endete Sonntag um 13.12 Uhr. Den exakten Schlusspunkt setzten Beat Furrers „Xenos-Szenen“, die mit Chor und zwei Sängerinnen sogar eine leicht „opernhafte“ Gestik entwickelten – vor allem beim Duett zwischen Sopran und Kontrabass, dem eine „szenische Qualität“ nicht abzusprechen war. Und dazwischen lag einfach nur sehr viel Musik, von Ianis Xenaxis, über die munter drauf los plappernden „Situations“ von Georges Asphergis, bis zur langen Traumnacht mit Stücken von Pierluigi Billione, Bernd Alois Zimmermann, Bruno Maderna, Luciano Berio, Wolfgang Mitterer und vielen mehr. Sonntagvormittag folgte eine Mitmach-Perkussion von Björn Wilker und dann traf man sich im Konzerthausfoyer noch zu einer Parallelität von Jazz (in der Eingangshalle) und „Zeitgenössischem“, das vorm „Weinzirl“-Zugang erschallte. Dieser Programmteil fand im Ausklingen eines einsamen Akkordeons, dass bei der Eingangsgarderobe links von einer Säule beschattet sein Ausgedinge hatte, ein leicht sentimental gefärbtes Ende.

Eine weitere Versinnbildlichung von urbo kune steuerte das Schachspiel bei, gewissermaßen als ein gesellschaftsloses „Marcel Duchampes“-Extempore, das links vorne im Großen Saal simultan durch Michael Ehn, dem Schachkolumnisten der Tageszeitung „Der Standard“, am Laufen gehalten wurde. Zugegeben, der Schreiber dieser Zeilen hat dort vielleicht ein bisschen zu viel Zeit verbracht. Aber gespielt wurde praktischer Weise während der Vorträge, so dass man die Muße hatte, zwischen Spiel und Zuhören zu wechseln, um von beidem jeweils das Wichtigste mit nach Hause zu nehmen.

Ein kleiner Saal mit Europakarten, allerhand Tafeln mit „Gezeichnetem“, Gratis-Wein und/oder Traubensaft und die Künstler-adaptierten Passbilderautomaten bildeten eine nette Ergänzung zu diesem Konzept, das ausbaufähig scheint. Und wer urbo kune im Konzerthaus versäumt hat, die fiktive Stadt reist weiter nach Amsterdam, wo sie am 6. und 7. Juni im Rahmen des Holland Festivals zu Gast sein wird.