THEATER AN DER WIEN - 11.11.2012
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Drama Queens
Sternstunde mit Joyce DiDonato und Il complesso barocco
(Dominik Troger)

Joyce DiDonato ist ein rarer Gast in Wien. Nun hat die amerikanische Mezzosopranistin im Theater an der Wien vorbeigeschaut” und gemeinsam mit dem Il complesso barocco unter Dmitry Sinkovsky das Publikum begeistert.

Joyce DiDonato und Il complesso barocco sind derzeit auf Konzerttournee in Europa und Nordamerika unterwegs und promoten ihr neues Album „Drama Queens“. Der Auftritt in Wien war das fünfte Konzert innerhalb von acht Tagen. Auf dem Programm standen „Königinnen-Arien“ von Cesti, Scarlatti, Monteverdi, Händel und anderen. Dazwischen dienten einige Instrumentalstücke als befeuernde Überleitung. Das Orchester saß auf der offenen Bühne, das eine Dekoration aus der aktuellen, am Programm stehenden Produktion „Iphigenie en Aulide“ zeigte.

Die Sängerin wurde, kaum nachdem sie die Bühne betreten hatte, mit einem vorlauten „Mobile Phone“ konfrontiert. Sie reagierte schlagfertig mit einem „Hallo“ und beendete nach einem kurzen Innehalten das „fiktive Telefongespräch“ mit „Auf Wiedersehen“. Gelächter im Publikum – und die Förmlichkeit der klassischen Konzertsituation hatte sich gleich vom Beginn an verflüchtigt.

Dem Konzert lag die investigative Tätigkeit von Alan Curtis zugrunde, der in Archiven nach Perlen barocken Ziergesanges geforscht hat, nach den Opernschicksalen von Königinnen, von Cleopatra bis Fredegundis. Das Resultat wurde auf CD gebrannt – und als Tournee konzipiert. Dass die Sängerin das gleiche hellrote Kleid wie auf dem CD-Cover trug, war also kein Zufall. Dieses modular gebaute „Kleidungsstück“ – nach der Pause sogar mit Reifrock zu barocker Form erweitert – sorgte für eine reizvolle Optik, die von den im Farbton dazu passenden roten Socken einiger männlicher Orchestermitglieder ironisch gebrochen wurde. Der Show-Charakter der barocken Oper, das weitschweifige Ausleben von wohldosierten Affekten, war schon im „äußeren Rahmen” mitgedacht worden und würzte den Abend mit einer erfrischenden Prise an „Entertainment“.

Joyce DiDonato präsentierte sich als Sängerin, die den Vorgaben der alten Opernmeister mit lockerer „Gurgel” und schier endlosem Atem zu folgen versteht. Ihr Mezzo vermittelte schon vom Timbre her vorzüglich das aristokratische Geblüt der von ihr „besungenen” königlichen Frauengestalten. Er ist mit jenem kristallinen Glamour überzogen, der viele amerikanische Sängerinnen erster Güte auszeichnet, im Piano aber milder und weicher gestimmt, ein Hauch von tränenheischendem Lamento, umflort von goldgetöntem Schimmer. Das ermöglicht es der Sängerin, die seelenverzehrende Wirkung einer Klage mit wohlgerundeten, tragenden Pianotönen auszuschmücken und die Machtansprüche von Liebe und Leidenschaft in den fordernden Momenten mit fast viriler Durchsetzungskraft zu betonen.

DiDonato hält die Stimme immer straff am „Zügel“, perfekt dosiert und an den Affekten orientiert, die die Texte vorgeben – und doch wirkt ihr Gesang ganz natürlich und ohne Künstlichkeit, verhaucht sich im abschwellenden Piano, marschiert wohlabgemessen durch die Koloraturen oder steigt nahtlos zu den Spitzentönen auf, wo sie Sopranqualitäten zeigt. Dass DiDonato ein Gespür für Show besitzt, zeichnet sie wie die meisten großen SängerInnen aus – und gerade solche „Arienabende“ leben letztlich auch von der Fähigkeit, den Draht zum Publikum zu finden und als Magierin im Reich der Töne verzaubernde Wirkung auszuüben. Das ist an diesem Abend reichlich geschehen.

Denn auf der Seite von I complesso barocco sorgte Konzertmeister und Violinist Dmitry Sinkovsky dafür, dass sich das musikalische Feuer von DiDonato kongenial auf die Begleitung übertrug. Hier agierten man auf Augenhöhe und erzeugte fast einen hypnotischen Sog, dem man sich weder entziehen konnte – noch entziehen wollte. Es war ein außerordentliches Konzerterlebnis. Beim Vivaldi Violinkonzert RV 242 spielte sich Sinkovsky in Trance und agierte dermaßen temperamentvoll, dass man alle Geschichten von „Teufelsgeigern“ personalisiert vor die Augen gestellt bekam. Es ist unglaublich, welche Energien in dieser Musik stecken. Sinkovsky kann das vermitteln. Das Orchester, das unter der Stabführung seines Gründers Alan Curtis des öfteren etwas „akademisch“ klingt, hat dadurch eine veritable Blutauffrischung erhalten.

Das Publikum war schon zur Pause schwer enthusiasmiert und erklatschte und ertrampelte sich nach der letzten offiziellen Nummer fünf (!) Zugaben. DiDonato schien auch vom Ambiete angetan, bewunderte das „monarchische“ Theater an der Wien, bedankte sich beim Publikum für den herzlichen Applaus und meinte am Schluss noch, alle Beteiligten hätten sich jetzt ein „Wiener Schnitzel“ verdient.

Das Programm:

Antonio Cesti: „Intorno all'idol mio“ aus „Oronotea“

Domenico Scarlatti: Sinfonía from „Tolomeo et Alessandro“

Claudio Monteverdi: „Disprezzata regina“ from „L'incoronazione di Poppea“

Geminiano Giacomelli: „Sposa son disprezzata“ aus „Merope“

Antonio Vivaldi: Concerto in D Minor for Violin, Strings, and Continuo, RV 242

Giuseppe Maria Orlandini: „Da torbida procella“ aus „Berenice“

- Pause -

Johann Adolf Hasse: „Morte, col fiero aspetto“ aus „Antonio e Cleopatra“

Geogr Friedrich Händel: „Piangerò la sorté mia“ aus „Giulio Cesare“

Georg Friedrich Händel: Passacaglia, Act II from „Radamisto“

Giovanni Porta: „Madre diletta“ aus „Ifigenia in Aulide“

Christoph Willibald Gluck: Air gracieux, air sicilien – Ballettmusik aus „Armida“

Georg Friedrich Händel: „Brilla nell' alma un non inteso ancor“ aus „Alessandro“

Es gab insgesamt fünf Zugaben, zum Teil Wiederholungen aus dem Programm sowie: Reinhard Keiser: „Lasciami piangere“ aus „Fredegunda“ und eine weitere Arie aus „Berenice“.