THEATER AN DER WIEN - 23.6.2010
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Zu einer inszenierten Liedreise mit Werken von Richard Wagner, Robert Schumann, Hugo Wolf, Gustav Mahler und Richard Strauss lud Nadja Michael ins Theater an der Wien. Vor einem nicht sehr zahlreich erschienenen Publikum versuchte Nadja Michael in einer eigentümlichen, Klavier begleiteten Solo-Performance, klassisches Liedgut unter dem gemeinsamen Nenner des geschlechtsmetamorphen „Orlando“ Virginia Woolf'scher Ausprägung zu subsummieren. Ausgehend von einem Kostüm des Elisabethanischen Zeitalters (begleitet von Richard Wagners „Adieux de Marie Stuart“, eine Rarität aus dem Jahre 1840) „verwandelte“ sie sich über diverse „Verpuppungen“ nach der Pause in einen schlanken, stiefeltragenden „Burschen“, der unter reger Anteilnahme von Mahlers „Lieder eines fahrenden Gesellen“ seelische Qualen litt. Angereichert wurde der Abend durch Videoeffekte und Toneinspielungen, die das romantisierende Lied-Erleben in eine relativierende, postmoderne Hülle packten. Über den tieferen inneren Zusammenhang dieses „Arrangements“ ließe sich gewiss weitläufig spekulieren, zwingend erschlossen hat er sich dem Zuseher wohl nicht. Nadja Michael hat im Programmheft viele Anmerkungen zu diesem, „ihrem“ Projekt gemacht, das, wie sie schreibt, aus einer Anfrage der Dresdner Semperoper entstanden ist, einen Liederabend zu geben. Interessant dabei ist, dass sie die (Zitat) „ziselierten Kleinodien“ des Liedes und vor allem ihren Texten, mehr Raum geben wollte, dass sie für diese Geschichten und Gefühle im Miniaturformat eine neue größere und bedeutungsvollere Bühne gesucht hat. Unter diesen Voraussetzungen rückt die „experimentelle“ Ebene dieses Unterfanges natürlich in den Vordergrund – und Experimente haben ein Recht darauf, scheitern zu dürfen. Das bezieht sich weniger auf die szenische Umsetzung, die zumindest mit dem einen oder anderen Videoeffekt Aufmerksamkeit erzielen konnte, als auf die gesangliche Komponente. Michaels mehr auf den dramatischen Effekt berechnende Stimme zog für meinen Geschmack die „ziselierten Kleinodien“ des klassischen Liedgesanges viel zu sehr in ihren Bann. Das starke Oszillieren, die zu wenig kontrollierte, nicht immer intonationssichere Höhe, die auch schnell mal viel zu laut und „wagnermäßig“ losstürmte, zu wenig Flexibilität im Piano, schlechte Wortdeutlichkeit und mangelnde Phrasierung erzeugten nur eine sehr grobe Vorstellung von dem, was den gesanglichen Reiz der einzelnen Musikstücke hätte ausmachen können. Aber nachdem diese „Performance“ – siehe oben – als „Experiment“ gelten darf, sollte man hier die Maßstäbe nicht zu streng anlegen. Der Abend dauerte – inklusive Pause – knapp eindreiviertel Stunden. Solide war die Begleitung von Miku Nishimoto-Neubert am Klavier. Das Publikum bedankte sich artig, es stellten sich auch Bravorufe ein. 2009 - © Dominik Troger, operinwien.at |