WIENER KAMMEROPER
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50 Jahre Wiener Kammeroper

Die Wiener Kammeroper wurde 1953 von Prof. Hans Gabor (1924–1994) begründet. Bereits 1948 hatte der zwei Jahre zuvor aus Budapest nach Wien gekommene Dirigent das Wiener Opern Studio initiiert, ein reines Gastspielensemble ohne eigenes Haus, das Tourneen in Österreich und ganz Europa absolvierte. Unter den Sängern befanden sich Talente, die später internationale Karriere machen sollten, wie etwa die Wiener Fritz Uhl, Walter Berry oder Eberhard Wächter. Im Jahr 1950 löst sich die Truppe auf, doch Gabor verfolgte seine Idee mit der drei Jahre später ins Leben gerufenen Kammeroper weiter.

Zunächst mietete man sich im Mozartsaal des Konzerthauses ein, denn an ein eigenen Haus ist vorerst noch nicht zu denken. Jedoch bereits 1954 ergab sich die Möglichkeit, während der Sommermonate im Rokoko-Ambiente des Schlosstheaters Schönbrunn zu spielen. Diese Sommerfrische erwies sich als so erfolgreich, dass die Wiener Kammeroper seither Sommer für Sommer an diesem einzigartigen Ort ihre Zelte aufschlägt.

Während des Jahres blieb die Wiener Kammeroper jedoch noch ein Ensemble ohne festes Haus. Man spielte in den Wiener Außenbezirken speziell für die Wiener Arbeiterkammer, im Wiener Konzerthaus für das Theater der Jugend und erfüllt somit eine große kulturpolitische Aufgabe. Bereits in den ersten Jahren wurde neben der Opera buffa und der klassischen Wiener Operette die Moderne gepflegt, etwa mit Boris Blachers „Flut“ (1956), und manche Rarität entdeckt, etwa Alessandro Scarlattis „Sieg der Ehre“ (1956) oder Donizettis Einakter „Rita“ (1958).Gastspielreisen nach Belgien, Italien und Deutschland festigten früh den internationalen Ruf des noch jungen Ensembles, vorerst mit den Klassikern „Fledermaus“ (1955) und „Hochzeit des Figaro“ (1956), dann mit Haydns Oper „Die Welt auf dem Monde“ (1957/1959) und Cimarosas „Listigen Frauen“ (1960) im Gepäck.

Im Jahre 1961 wurde der Traum von einem eigenen Haus Realität. Unterrichtsministerium und Stadt Wien gewährten der Wiener Kammeroper erstmals eine Jahressubvention, Voraussetzung für die Bespielung eines eigenen Theaters. Dieses fand sich am Fleischmarkt 24 im Herzen der Stadt. Ein ehemaliger Tanzsaal wurde für Opernzwecke adaptiert. Die feierliche Eröffnung fand im Januar 1961 statt. Mit den Einaktern „Die Heirat“ von Martinu, „Der Spieler“ von Orlandini und Monteverdis „Klage der Ariadne“ in der Fassung von Carl Orff erhielt die neue Jugendstil-Spielstätte ihre musikalischen Weihen.

In der Folge erarbeiteten die jungen Sänger unter Hans Gabor, der auch weiterhin die meisten Produktionen persönlich leitete, ein abwechslungsreiches Programm. Die Palette umfasste insbesondere Raritäten aus vier Jahrhunderten. Die italienische Opera buffa, das Singspiel, Offenbach und die goldene Wiener Operette bildeten Schwerpunkte des Programms, ohne dabei das Schaffen des 20. Jahrhunderts zu vernachlässigen. Zahlreiche Ur- und österreichische Erstaufführungen prägen bis heute das weitgefächerte Repertoire der Wiener Kammeroper.

Als wahre Dauerbrenner erwiesen sich unter anderen Paisiellos Vertonung des „Barbier von Sevilla“, der allein in den Jahren 1962 bis 1985 in nicht weniger als acht (!) Inszenierungen zu sehen war oder die Aufführung der „Tannhäuser“-Parodie (1979 ff.), die gleichfalls mehrmals in den Spielplan aufgenommen werden musste, sei es im Haus am Fleischmarkt, im Schlosstheater Schönbrunn oder für diverse Gastspiele im In- und Ausland. Unter den zahlreichen künstlerischen Höhepunkten der Vergangenheit sei George Taboris Inszenierung von Leoncavallos „Bajazzo“ hervorgehoben (1986), eine legendäre Aufführung, die im Jahr darauf zum Berliner Theatertreffen geladen wurde.

Anfang der 80er Jahre zog sich Hans Gabor vom Dirigentenpult zurück, um sich fortan ausschließlich der künstlerischen Leitung, dem Management seines Hauses, zu widmen. Und nicht zuletzt um den internationalen Belvedere-Gesangswettbewerb ins Leben zu rufen (1982). Mit der Einführung der Reihe „Studio K“ ist man seit 1983 bestrebt, verstärkt der Moderne eine Plattform zu bieten. Kammeropern von Tom Johnson, Peter Maxwell Davies, Luciano Chailly, Philip Glass oder Hans Werner Henze wurden erstmals in Wien präsentiert. Und wieder war es George Tabori, der in diesem Rahmen mit Viktor Ullmanns erschütternder KZ-Oper „Der Tod dankt ab“ eine beispielhafte und auch im Ausland gefeierte Aufführung beisteuerte. Im Bestreben junges Publikum anzusprechen, verfiel Hans Gabor auf die Idee, Rockopern anzubieten. Klassische Werke wie „La Bohème“ oder „Carmen“ in zeitgemäßer musikalischen Sprache wurden nicht nur in Wien zum Tagesgespräch, sie fanden bald auch internationale Nachahmer.

Ein neues Kapitel schlug die Wiener Kammeroper 1992 mit Freilichtaufführungen von Mozart-Opern vor der Römischen Ruine im Schlosspark von Schönbrunn auf. Die Open-Air-Aufführungen wurden ein großer internationaler Erfolg. 1999 wurde die Bespielung dieser einzigartigen Open-Air-Bühne aus denkmalschützerischen Gründen eingestellt. An einer Alternative wird aber bereits gearbeitet: Aufgrund einer Machbarkeitsstudie soll in Schönbrunn ein Parktheater entstehen, mit dem die Wiener Kammeroper wieder kräftige Akzente im sommerlichen Kulturbetrieb der Donaumetropole setzen kann.

Völlig unerwartet starb am 4. September 1994 Prof. Hans Gabor, der Vater und Spiritus rector des Hauses. Rudolf Berger (1995–1997) setzte mit tatkräftiger Unterstützung von Isabella Gabor die erfolgreiche Programmlinie der Vergangenheit fort, gefolgt von Josef Hussek (1997–1999). Mit der „Fledermaus“ absolviert die Wiener Kammeroper 1999 eine vielbeachtete Japan-Tournee. In der Spielzeit 1999/2000 übernahmen Isabella Gabor und Holger Bleck die Leitung des Hauses. Die Förderung des Sängernachwuchses mit dem Internationalen Hans Gabor Belvedere Gesangswettbewerb, die sommerlichen Opern- und Operettenaufführungen im Schönbrunner Schlosstheater und die Opernproduktionen im Haus am Fleischmarkt sind – der Tradition des Hauses entsprechend – weiterhin die wesentlichen Standbeine der Wiener Kammeroper.

Entscheidend für die künstlerische Arbeit der Direktion ist es, verstärkt Werke zu finden, die weder zum Repertoire der großen Häuser zählen, noch im Umfeld der freien Gruppen produziert werden. Es müssen Raritäten, Kammeropern sein oder aber Opernwerke, die in Österreich bisher selten oder gar nicht gespielt wurden, aber dennoch allein durch ihre Qualität überzeugen.

In einer Zeit, die zunehmend von finanziellen Einsparungen in den Kulturetats der öffentlichen Hand geprägt ist, ist die Wiener Kammeroper auch auf Privatsponsoren angewiesen. Die OMV als Hauptsponsor des Internationalen Hans Gabor Belvedere Gesangswettbewerbs und die Wiener Wirtschaftskammer als Hauptsponsor der sommerlichen Schlosstheater-Aufführungen sind gute Beispiele für bewährte und langjährige Partnerschaften von Wirtschaft und Kunst, die Gründung des Hans-Gabor-Clubs unter der Patronanz von Präsident KR Walter Nettig und Stadtrat Dr. Sepp Rieder soll in Zukunft die Kräfte aller Freunde und Förderer der Wiener Kammeroper bündeln.

(Quelle: Wiener Kammeroper. Stand: Herbst 2003)

Die weitere Entwicklung

Nachdem die Kammeroper mit Ende der Saison 2010/11 ihren Spielbetrieb aus finanziellen Gründen einstellte, wurde sie in der Saison 2011/12 punktuell vom Theater an der Wien genützt beziehungsweise von der Neuen Oper Wien. Mit der Saison 2012/13 dient die Kammeroper als zweites Haus des Theaters an der Wien und wird zum Spielort des „Jungen Ensembles des Theater an der Wien" (JET).

(Stand August 2012)