ABSCHIEDSGALA JOSÉ CARRERAS
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Chronik

Konzert
Staatsoper
14.9.2021


Klavier: Lorenzo Bavaj

Kallisto-Quartett: Albena Danilova, Andreas Großbauer, Robert Bauerstatter, Tamás Varga

José Carreras
Elina Garanča
Johanna Wallroth
Michael Arivony


Liederabend des Abschieds
Dominik Troger

Abschiedsgala für José Carreras an der Wiener Staatsoper: ein Abend mit viel Erinnerungen und Sentimentalität für einen guten Zweck.

Die Gala begann mit einer Videoeinspielung: das Finale aus „Carmen“ mit José Carreras und Agnes Baltsa – eine intensiver und emotional aufrüttelnder Beginn, dem eine klug disponierte und unterhaltsame Laudatio des Staatsoperndirektors Bogdan Roščić folgte. Er ließ die Karriere des Sängers Revue passieren, erläuterte seine besonderen Beziehung zur Wiener Staatsoper und zum Wiener Publikum – von seinem ersten Auftritt als Herzog im Jahr 1974 bis zur einem Gala-Abend im Jahr 2004 – und ging abschließend auf seine karikative Tätigkeit ein, die 1988 in der „José Carreras Leukämie Stiftung“ ihr Fundament gefunden hat.

Die Herzen des Wiener Publikums hat sich der Sänger als Rodolfo erobert. Er hat die Partie zwischen 1977 und 1993 laut Staatsopernarchiv neunzehnmal im Haus am Ring verkörpert. Der Staatsoperndirektor präsentierte ein kurzes Tonbeispiel aus der Vorstellungsserie des Jahres 1977 unter Herbert von Karajan mit Mirella Freni als Mimì – ein illegaler Mitschnitt, wie der Direktor betonte. Weiters wurde der Begrüßungsapplaus vom „Comeback“-Abend des Tenors an der Staatsoper im Jahr 1988 nach seiner schweren Erkrankung eingespielt, sowie die Arie das Kalaf aus „Turandot“ von der Neuproduktion 1983 – und als Verkäufer beim Würstelstand hinter der Oper, nach einer verlorenen Wette in der TV-Show „Wetten dass“.

José Carreras hat über 20 verschiedene Rollen am Haus gesungen, darunter zwölfmal den Don José sowie je zehnmal den Alfredo, den Edgardo und den Calaf. Carreras war noch vor Neil Shicoff der erste Sänger, der seit dem Jahr 1933 wieder den Eleazar in Wien gesungen hat, 1981 in zwei konzertanten Aufführungen von „La juive“. Mit Auftritten von José Carreras an der Wiener Staatsoper sind noch weitere Raritäten verbunden wie die österreichische Erstaufführung von Giuseppe Verdis „Jérusalem“ oder die Erstaufführung des „Stiffelio“ am Haus.

Der offizielle Teil des Abends bestand aus neun von Carreras vorgetragenen Liedern in denen vorwiegend Liebesprobleme schwermütig abgehandelt wurden (laut Programmheft: Francesco Paolo Tosti: „L’ultima canzone“, „Sogno“, Furio Rendine: „Vurria“, Edvard Grieg: „Testimo“, Joaquin Rodrigo: „En Aranjuez, con tu amor“, Alexandre Derevitsky: „Serenata sincera“, Rodolfo Falvo: „Dicitencello vue“, Nicola Valente „Passione“, Salvatore Cardillo: „Core n’grato“).

Dazu gesellten sich zwei Duette mit Elina Garanča (Eric Satie: „Je te veux“, Ernesto De Curtis: „Non ti scordar di me“) und ein von Garanca vorgetragenes Sololied (Stanislao Gastaldon: „Música proibita“) sowie die Arie der Lauretta aus Gianni Schicchi gesungen von Johanna Wallroth. Weiters gab Michael Arivony Franz Schuberts „Ständchen“. Die beiden letztgenannten schlüpften zudem in die Rollen von Papagena und Papageno („Bei Männern welche Liebe fühlen“). Das Kallisto-Quartett spielte ein Puccini-Stück („Crisantemi“) und „Die Mozartisten“ von Josef Lanner. Als die Sänger begleitender Pianist fungierte Lorenzo Bavaj. Das Publikum erklatschte sich fünf Zugaben, die dritte vereinigte alle Protagonisten auf der Fläche des überdeckten Orchestergrabens zum Quartett. Als letztes, den Abend mitreißend beschließendes Gustostückerl erklang „Granada“ von Agustin Lara.

Die Zugaben streuten sich über eine halbe Stunde, auf den Bühnenvorhang im Hintergrund wurde währenddessen „Adieu und Danke“ projiziert. Von der besagten „La bohemé“-Serie wurde Carreras vom Direktor ein gerahmtes Abendplakat überreicht. Aus dem Publikum wurde der Sänger mit Blumen beschenkt, rote Rosen standen hoch im Kurs. Am Beginn gab es „Standing ovations“ und am Schluss auch rhythmisches Klatschen. Der Galaabend begann um 20.00 Uhr und war nach zweieinhalb pausenlosen Stunden zu Ende. Die Gagen wurden der in Wien ansässigen CAPE10-Stiftung zur Verfügung gestellt, die unverschuldet in Not geratene und hilfsbedürftige Menschen unterstützt.

José Carreras wirkte auf den ersten Blick sehr schlank und ein wenig fragil, weckte aber nach zwei, drei Liedern wieder seine ganze Leidenschaft, um die Besucher zu starkem Applaus und Bravorufen zu animieren. Deshalb schwelgte das Publikum zweieinhalb Stunden lang nicht nur gerührt in Erinnerungen, auch wenn es über die sentimentale Traurigkeit so manchen Liedes schon ein wenig zur Wehmut verleitet wurde. Die leuchtend rote, üppige Robe von Elina Garanca setzte dem Abend zudem eine flammende Gloriole auf – und in den beiden genannten Duetten mit Carreras und ihr fand der offizielle Teil der Abschiedsgala zu seiner stärksten und lebendigsten Gegenwart.

Johanna Wallroth und Michael Arivony, die beiden Mitwirkenden aus dem Staatsopernensemble, repräsentierten die junge Generation, die noch ihre Zukunft vor sich hat. Lanners „Mozartpotpourri“ wurde als ironisches Augenzwinkern eingestreut, das den bewegten Herzen etwas spaßigen Trost zufächeln sollte. Das Publikum musste allerdings lange auf den Einlass warten, drängte sich bis rund eine halbe Stunde vor Beginn in den Stiegenaufgängen – angeblich hatte man noch geprobt.

Mitgeschnitten wurde diese Abschiedsgala sicher Dutzendweise, auch wenn es verboten ist. Aber was von diesem Abend bleibt, sind nicht nur Mitschnitte und ganz persönliche Erinnerungen, weil er neben der dankbaren Begegnung mit einem vom Wiener Opernpublikum außerordentlich geschätzten Künstler genauso als Ausdruck einer Lebenshaltung begriffen werden kann, die über viele Jahre die Kunst in den Dienst sozialer und karikativer Tätigkeit gestellt hat.