WAGNER PORTRÄTS VON
REINHARD TRINKLER
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„Wagner-Wahn-Sinnlich“
Reinhard Trinkler malt Richard Wagners 200. Geburtstag
(Dominik Troger)

Richard Wagner hat Karikaturisten schon zu Lebzeiten beflügelt: großer Kopf, kleiner Körper, Zukunftsmusik. Dass sich daran nichts geändert hat, beweist der Comiczeichner, Maler und Filmemacher Reinhard Trinkler. 174 Jahre nach Richard Wagner geboren hat der Niederösterreicher dem „Meister“ mit Acryl und Comicstil auf den „Zahn“ gefühlt.

Reinhard Trinklers „Wagner-Wahn-Sinnlich“-Porträts waren ein Highlight der Kunstausstellung „Wagner Ekstase Wien“: Von Juli bis Anfang Oktober 2013 hat diese Ausstellung das „Wagner-200-Projekt“ von Paulus Manker im alten Post- und Telegraphenamt am Wiener Börseplatz begleitet. Der ärarische Bau aus den 1870er-Jahren steht seit langem leer. Richard Wagner könnte hier noch vorübergegangen sein. Demnächst sollen Luxuswohnungen errichtet werden. Trinkler erwartet mich beim Eingang. Er selbst, mit dunkelgerandeten Augengläsern bewehrt, schlank und eloquent, führt mich durch das morbide Gebäude in den Raum, den er mit seinen handlichen Acryl-Porträts zu einem großen „Comic“ drapiert hat.

Der Künstler erzählt von seiner Arbeit, während unsere Schritte durch die Gänge hallen. Bekannt geworden sei er als Zeichner der „Kottan“-Comics zu den Texten von Helmut Zenker. Vor kurzem habe er wieder zwei neue Bände fertiggestellt. Außerdem schaffe ihm seine Liebe zu alten Filmen, zum österreichischen Kabarett und zum Theater ein weites Betätigungsfeld, in das er mit „spitzer Feder“ oder mit Pinseln voller Acrylfarbe tauche. Seinen Schauspielerporträts könnten Besucher im Wiener Volkstheater und im Österreichischen Theatermuseum begegnen.

Aber da haben wir den Raum schon erreicht, den Trinkler zu seiner Porträt-Galerie umgestaltet hat. Die Wände hat er mit dunklem, leuchtkräftigem Türkis ausgemalt, von unten erhellt ihn ein königsteppichroter Boden wie einen fürstlichen Salon. Eine nackte Glühbirne baumelt rechts vor einem riesigen gemalten Wagnerkopf, der mit erhobenem Zeigerfinger den Eintretenden lehrmeisterhaft entgegendroht. Geradeaus befindet sich das einzige Fenster, dessen staubbedeckte Scheiben die Sicht auf einen Innenhof freigeben, in dem die Umbauarbeiten bereits begonnen haben. Das Ambiente erinnert eine wenig an die heruntergewirtschaftete Gralsburg: „Parsifal“, dritter Aufzug. Aber neben dem Fenster blickt der junge Wagner von der Wand – zukunftshoffend. „Das war das erste Porträt der Serie“, so Trinkler. „Das hat ein anderes, länglicheres Format. Wagner ist hier noch ganz seriös.“ Weniger „seriös“ geht es dagegen auf der linken Wandseite zu. Dort bilden die Tafeln der Acrylmalereien einen grellen Hotspot, mischen sich Anteilnahme, Ironie und Respektlosigkeit zu einer bunten künstlerischen Bestandsaufnahme des Phänomens „Richard Wagner“ – reihen sich die Bilder wie Comicstreifen aneinander.

Seine Lehrerin in der Malerei, Heidi Baratta, habe ihm vorgeschlagen, bei der Ausstellung mitzumachen. Er habe dann Paulus Manker ein paar Kostproben geschickt und Manker hätten die Entwürfe gefallen. Die Bildinhalte wurden zum Teil mit dem Theaterstück abgestimmt, das zeitgleich zur Ausstellung im Keller des Telegrafenamtes über „die Bühne“ ging: eine „Wagnerdämmerung“ als „Reise in Wagners Gehirn“. Paulus Manker habe ihn außerdem mit Wagner-Anekdoten versorgt, erzählt Trinkler: „Ich selber habe mich stark auf das Optische konzentriert, alte Karikaturen angeschaut, alles an Wagner-Filmen, was ich auftreiben konnte, und so hat es rund ein Jahr gedauert, bis die Bilder fertig waren.“

Trinklers Affinität zu Wagner war aber schon gegeben. „Ich höre Best-of-Wagner beim Comiczeichnen, das berauscht und beflügelt. Die märchenhafte Symbolik der Opern, das hat sowieso einen starken Comiceinschlag. Bei Wagner und bei Comics gibt es extrem gute und extrem böse Charaktere. Aber die Porträtserie zeigt Wagner als Menschen und der ist schon sehr zwiespältig.“ Doch nicht nur deshalb ist Wagner für Trinkler ein lohnendes „Objekt“: „Wagner hat eine Idealfigur für Comics: großer Kopf, kleiner Körper, markante Gesichtszüge. Von Wagner kann man viele Bilder machen, es wird nie langweilig, sie anzuschauen. Das lässt sich auch mit dieser Maltechnik sehr gut herausarbeiten: Acryl auf Leinwand, sie eignet sich perfekt für meinen Comicstil mit starken Konturen.“

Und an starken Konturen fehlt es den Bildern wahrlich nicht. Ganz links in der obersten Reihe schmiegt sich ein grauhaariges Wagner-Baby mit rosigen Wangen an Cosimas Brust. „Wagner lactans“ meint Trinkler verschmitzt: „Wagner war eigentlich immer ein wenig kindisch und hat eine starke Frau zum Anhalten gebraucht.“ Rechts in der untersten Reihe lauert Wagner kleingestaltig und zornig als Offenbach’scher Klein-Zack – oder als Alberich, der weder Liebe noch Gold verflucht? Die 17 Tafeln dazwischen erzählen eine Geschichte menschlicher Höhen und Tiefen, in der Mittelachse gekrönt von Wagner als idealisiertem Dirigenten: Arme erhoben, energischer Blick, ein klassisches Porträt in Frontansicht und in effektvoller Pose.

Aber meist hat Trinkler die Kontraste gesucht, die Wagners Leben beherrschten und die unser Bild von Wagner heute immer noch prägen. Wagner, der antisemitische Egoist, der über Leichen geht und seine Freunde aussaugt: Ludwig II., Nietzsche und Wesendonck als Handpuppen, ein dem Strang überantworteter Meyerbeer in KZ-Uniform, dazu ein riesiger Wagner Kopf, blond, blauäugig, arisch. In derselben Reihe zwei Bilder weiter: Wagner als magischer Frauenflüsterer, mit beschwörend gekrümmter Hand. Trinkler: „Am linken unteren Rand sieht man die Nase von Cosima.“ Wagner als autoritärer Vater, der mit Krallenfingern die Stirn seines Sohnes blutig kratzt. Wagner als Fafner-Drache, der von einem kleinen Siegfried besiegt wird: ein Stich mit Nothung in den Hals, der Hintergrund leuchtend in dunklem Waldwebengrün. Daneben hängt der „Wagner-Triumphbogen für die Nationalsozialisten“– ein grauer, gekrümmter, leidender, ideologisch zurechtgebogener Wagner, unter dem SA aufmarschiert.

Dazwischen gestreut finden sich einige ruhigere Porträts: Wagner rotkopfig am Klavier, ganz vom Künstler-Mysterium umfangen, Wagner gealtert als modischer Grandseigneur, ein blasser Wagner als Georg Büchner – immerhin derselbe Jahrgang – sowie Paulus Manker als Wagner „gemorpht“, eine Huldigung an den Initiator und Veranstalter des „Wagner-200-Projektes“.

Nicht vergessen werden darf Wagners aufwühlender Eros, seine unermüdliche Antriebsmaschine, abgebildet im Bild in der dritten Reihe rechts außen: sein Geschlechtsteil als Hammer, der auf den Amboss schlägt. Eine kleine, weißgekleidete Frauengestalt steht auf dem Hammer und stützt Wagners Kinn. In surrealistischem Comicstil ist das Bild in derselben Reihe links außen gehalten: Frauenzunge, die sich zu Schreibfeder formt, Wagner mit festgenageltem Brett vor dem Kopf von dem Blut tropft. In der dritten Reihe grell in die Mittelachse positioniert: ein Wagner Gesicht aus Geschlechtsteilen geformt, auffällig und grobschlächtig gemalt. Und dann noch der leidende Wagner, seine Gesichtsrose, aus der in Comicgedankenblasen ein Totenkopf als Hitler „erblüht“– und der entlarvte Wagner: Franz Liszt zieht ihm brutal die Perücke vom Kopf.

Für ein passendes Finale sorgt der sakrale, der gekrönte Wagner, „als König der Oper“, so Trinkler. Ein würdevolles Bild, ein Altarblatt fast, gleich neben Wagner lactans plaziert: ikonographisch am aussätzigen König Konstantin festgemacht, dem der heilige Paulus im Traum erschienen ist. Wagner ist krank, mit rotem Tüpfelausschlag, er zeigt verhärmte Züge: eine Todesverkündigung – und ganz ohne Brünnhilde, denn der heilige Paulus sieht natürlich Paulus Manker ähnlich.

Was mit den Bildern geschieht, wenn die Ausstellung geschlossen wird? „Eine Galerie wird sie übernehmen“, sagt Trinkler, „es gab schon Anfragen und es wurden schon welche verkauft.“ Dann werden noch schnell Fotos gemacht, um die Anordnung der Tafeln in dem kleinen Zimmer zu dokumentieren. Bald werden sie sich in alle Welt verstreuen.

Die nächste Ausstellung von Reinhard Trinkler ab 10. Oktober 2013: SCHAUSPIEL.GESICHTER im Volksheim Laaerberg, 1100 Wien (Eingang Economogasse)
Mehr Infos zur Person, zu den Comics und zu den Schauspielerbildern unter:
www.reinhard-trinkler.de.tl

operinwien.at, September 2013 (Fotocredit: Dominik Troger)