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"Wenn etwas geändert wird, dann nur zum Nachteil der Raucher."

Publikumsgespräch mit Staatsoperndirektor Ioan Holender, dem kaufmännischen Geschäftsführer Thomas Platzer und dem neuen Chefdramaturgen Peter Blaha im Marmorsaal der Wiener Staatsoper am 17. November 2001.

Der Direktor gab sich diesmal jovial, durchsetzt mit den üblichen pointierten Formulierungen. Das Publikum ließ sich kaum zu wirklich provozierenden Fragen hinreißen. Über Regietheater (laut Staatsoperndirektor als Begriff eine "Zeitungserfindung") ging es erst am Schluss und da nur mehr marginal. Aber das Thema war in früheren Publikumsgesprächen ohnehin derart zerkaut worden, dass es schon eines heftigen Anlassfalles bedurft hätte, um es abermals aufs Tapet zu bringen.

Der Direktor begann einleitend mit einem Kurzresümee der erst zweieinhalb Monate alten Saison. Er gedachte der erfolgreichen Gastspielreisen, die ihm wieder gezeigt hätten, welch hohes Niveau die Wiener Staatsoper habe, bis in die zweite und dritte SängerInnen-Garnitur hinein. Man war in Amsterdam in Mailand und in Bukarest. Und erst 2004 wird die Wiener Staatsoper wieder reisen, und zwar nach Japan. Als besonders wichtiges Ereignis der laufenden Saison nannte er die Uraufführung der "Riesen vom Steinfeld" von Friedrich Cerha im Juni, einem Auftragswerk, mit dem Holender seine Amtszeit hätte beschließen wollen, aber inzwischen handelt es sich ja, so Holender, um eine Amtszeit "die nicht und nicht endet". Deshalb möchte er gerne für das richtige Ende seiner Tätigkeit noch ein weiteres zeitgenössisches Auftragswerk vergeben. Nachdem er auch kurz das 50 Jahre Jubiläum der Wiedereröffnung des Hauses am Ring (1955-2005) erwähnt hat, kam die Sprache auf das eigentliche Hauptthema: die Rollstuhlplätze auf dem Galeriestehplatz.

Hierzu bemerkte zuerst der damit befasste Vertreter des Publikumsforums, das Forum habe alles getan, um eine möglichst optimale Lösung zu verwirklichen. Allerdings seien einige Dinge anders realisiert worden, als abgesprochen. Auf jeden Fall wolle man für die Zukunft eine ausgewogene, langfristige Lösung finden und lade deshalb zu einer Diskussion zu diesem Thema mit allen Beteiligten am 15.1.02 (leider wurde der Veranstaltungsort verschwiegen). Es gehe jedenfalls darum Rollstuhlfahrer nicht gegen Stehplatzbesucher auszuspielen.

Direktor Holender begann mit seinem Statement, indem er die Geschichte der Rollstuhlplätze im Haus aufzeigte. Nach der Wiedereröffnung wären nur zwei vorgesehen gewesen, er habe vor einigen Jahren zwei weitere vorne im Parkett eingerichtet. Nachdem sich hier Parkettbesucher beschwert hätten (und die zahlen ja nicht wenig für ihre Karten) wurde beschlossen, diese wieder aufzulassen - wobei hier auch Themen wie Fluchtwegbreite etc. eine Rolle spielten, und er gewissermaßen äußeren behördlichen Zwängen nachgeben mußte. Die 18 Plätze auf der Galerie sind auch sicherheitstechnisch genehmigt (der anwesende Rollstuhlfahrer dazu: "Ich habe keine Angst vor Feuer."), er sei sich aber bewusst, dass diese Lösung nicht ideal sei (auf den Mitte halbseitig gelegenen Rollstuhlplätzen ist die Sicht vom Rollstuhl aus wegen der niedrigeren Kopflage schon eingeschränkt). Nun liegt der Schnitt der Rollstuhlplatzauslastung pro Aufführung seit 1. September bei 1,82. Deshalb habe man es auch intern so geregelt, dass die nicht benötigten Rollstuhlplätze als normaler Stehplatz genutzt werden dürfen. (Noch dazu werden interessanterweise, so Holender, doppelt so viele Rollstuhlplätze für die Aufführungen bestellt, als dann auch effektiv genutzt werden.) Natürlich kristallisierte sich heraus, dass das Thema Rollstuhlplätze nur bei den wenigen, sehr nachgefragten Vorstellungen im Haus wirklich ein Thema ist. Im übrigen meinte er zu möglichen Umbauvorschlägen in dieser Sache, dass die Holding dafür sicher kein Geld haben werde. Den Vorschlag, doch Sponsoren zu finden, die eine Aufteilung der Rollstuhlplätze im ganzen Haus ermöglichen sollten, lehnte er brüsk ab, weil es überhaupt nicht seine Aufgabe sei, Sponsoren zu finden, und wenn dann, tue er das aus freien Stücken und dafür werde er es sicher nicht tun. Aber, wie Holender meinte, es gehe darum eine "annehmbare" Lösung zu finden.

Nach einem kurzen Intermezzo, in dem Direktor Holender auf die in News zitierten, angeblich inkriminierenden Aussagen von Marcel Prawy nicht einging und die Absage der Matinee zum 90. Geburtstag als mit Prawy abgestimmt erklärte (es findet eine Geburtstagsfeier im ORF in Kooperation mit dem Verein der Freunde der Wiener Staatsoper statt) wurden erste Erfahrungen betreffend das Vilar Titelsystem ausgetauscht. (Holender meinte noch, es gebe so viele Geburtstage und Jubiläen und die Aufgabe der Staatsoper wäre es zu spielen und nicht für solche Feierlichkeiten Geld auszugeben.)

Das Vilar-Titelsystem wurde großteils gutgeheißen. Holender sagte, dass er zB. mit der Anbringung in den zweiten und dritten Logenreihen nicht so glücklich wäre, und dass er selbst dafür gewesen sei, die Mitlese-Sitze Balkon Ganz Seite nicht damit auszustatten - und prompt wären dann deshalb Beschwerdebriefe gekommen. Er zeigte sich erfreut, dass die Staatsoper das erste Opernhaus weltweit sei, wo es ein zweisprachiges Titelsystem gebe "und es hat die Steuerzahler nichts gekostet. Wir haben es geschenkt bekommen, dank mir! Es ist mir ja schon fast unangenehm, aber man muss das wissen." Er habe Vilar in einer Cid-Vorführung mit Placido Dominigo, die von Vilar gesponsort worden war, darauf angesprochen. In zwei Jahren wüßte nämlich niemand mehr, wieviele Millionen er in welche Aufführung gesteckt habe, aber an der Wiener Staatsoper hätte er die Möglichkeit, etwas "für die Ewigkeit" zu tun. Holender meinte, es wäre fast ein Wunder gewesen, dass das System wirklich schon am ersten September startklar gewesen wäre, und es hätte ihm nichts ausgemacht, wenn es sich um drei Monate verzögert hätte. Vilar hat übrigens nur die Technik finanziert, die Übersetzungen müssen von der Staatsoper zugekauft oder in Eigenregie erstellt werden. Der neue Chefdramaturg Peter Blaha, der von Holender mit den Worten "ein wichtiger Mann für mich und das Haus" präsentiert worden war, erläuterte dann auch die Tücken bei der Übersetzung der Libretti, die man auf den 3 mal 45 Buchstaben Displays der Anzeigevorrichtung unterbringen muss. Der Feinschliff erfolgt da erst nach den ersten Aufführungen, weil es erst dann genau auf die Szene angepasst werden kann. Und aufgrund des großen Repertoires wird die Übersetzung bswp. von der "Italienerin in Algier" erst am Vormittag des Vorstellungstages fertig. Dass Blaha, der auf dem Stehplatz "großgeworden" ist, einen gewissen Vertrauensvorschuss beim Publikum besitzt, war deutlich zu spüren. Blaha redigiert außerdem noch das neugestaltete monatliche Staatsopernjournal, dass kostenlos im Haus für die Besucher aufliegt - und das ebenso lobend publikumsseitig erwähnt wurde.

Man erfuhr weiters, dass sich seit dem 11. September die teuersten Sitzplatzkategorien deutlich schwieriger verkaufen, weil aus USA und Japan weniger Gäste einfliegen. Dass Holender seine in den letzten Jahren angesparten 19 Millionen ATS nicht für die kollektivvertraglich ausgehandelte Bezugserhöhungen des Staatsopernpersonals auszugeben gedenkt und erwartet, dass das in der Saison 2003/04 vom Erhalter bestritten wird. Er müsse ohnehin die 17 Millionen, die für die Saison 2002/03 fehlen aus Erspartem einbringen. Sponsoren sind da auch keine Lösung, weil er da nicht abhängig werden möchte. Da spielt er um das Geld lieber ein paar Nachmittagsvorstellungen, auch wenn die das Geld nicht einspielen, was deren Ansetzung kostet. Aber er denkt nicht daran "Geld auszugeben für Dinge, die mir andere bezahlen müssen."

Zum Thema Oper im Theater an der Wien wusste er nichts Neues zu vermelden, und betonte auch, das sei nicht seine Aufgabe, sich darum zu kümmern. Die abgehängten Bilder aus dem Marmorsaal werden wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Natalie Dessay wird, hoffentlich, im Mai wieder an der Staatsoper singen. Holender meinte, es ginge ihr bereits besser, aber er hielt sich da eher bedeckt.

Das Rauchverbot bleibt wie es ist: "Wenn etwas geändert wird, dann nur zum Nachteil der Raucher."

Einer Dame, die die Wiedereinführung des Blocksystems feststellte, widersprach Holender nicht. Er nannte es nur "öftere Wiederholungen" und meinte, das würde er selber auch nicht wollen, aber sei "ein Gebot der Zeit". Er betonte zwar, man habe immer noch 52 Werke im Spielplan, aber unterschwellig denkt man immer, er meint jetzt, dass man sich das auf Dauer wahrscheinlich nicht wird leisten können.

Befragt nach Cecilia Bartoli meinte er wie schon öfter, dass er an der Staatsoper keine Barockopern spielen werde, dafür biete sich das Theater a.d. Wien an. Und irgendwie schien er verwundert, dass "in Wien kein Mensch Barockoper mache".

Der Direktor liebäugelt damit, die französische Originalfassung des Don Carlos parallel mit der italienischen zu spielen. Und er meinte, dass der Regisseur aus der "Sonnambula" eigentlich mehr gemacht hat, als drin ist. (Er habe früher zwei Inszenierungen des Werkes gesehen und da habe das Publikum gelacht.) Und zum Abschluss sagte er, zumindest "nicht auf dem falschen Weg" zu sein.

Der Altersschnitt des zahlreich erschienenen Publikums lag wieder jenseits der 50, und das ist es, was einem wirklich zu denken geben sollte...

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