NEUE WIENER HOFOPER 1869
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Kapitelübersicht

Die Eröffnung der neuen Hofoper am 25.5. 1869 in Wien.
Ein Diarium.

V. Die Nachwehen

Die zweite Aufführung des "Don Juan" am 26. Mai fand in geänderter Besetzung vor halbleerem Haus statt. Nachdem es bereits möglich gewesen war, noch am Tage der Eröffnung zu Karten zu kommen, rächten sich jetzt anscheinend die hohen Eintrittspreise - und möglicherweise das Ausstreuen voreiliger Jubelmeldungen, den Kartenverkauf betreffend. Während der erste Abend immerhin über 12.000 Gulden eingespielt hatte, war jetzt in der Direktion Feuer am Dach. Angeblich hatte man noch am Nachmittag dieses 26. Mai versucht, Freiplätze unter anderem an Mitglieder des Hofburgtheaters zu verschenken, um der schleppenden Nachfrage nach Parkettsitzen gegenzusteuern. Außerdem wurde die Abwesenheit der Kaiserin für den schlechten Besuch verantwortlich gemacht. (Angeblich hatte sie ein leichtes Unwohlsein der Prinzessin Valerie davon abgehalten.)

Die in Summe schlechte Auslastung der drei Eröffnungsvorstellungen rief sofort die Zweifler auf den Plan. Die täglichen Kosten für den Betrieb des neuen Opernhauses lagen bei rund 800fl. Wahrscheinlich setzte man auch deshalb bei der Direktion voll auf das Ballett "Sardanapal", von dem man sich auch wegen des etwas anrüchigen Stoffes einen vollen Erfolg und somit ein volles Haus erwartete. Doch hier konnte der für Anfang Juni anvisierte Aufführungstermin nicht gehalten werden und die Premiere fand erst am 16.Juni statt. Angeblich auch deshalb, weil wegen einer Fußverletzung von Taglioni die Proben unterbrochen werden mussten. (Details zu der mühsamen "In-Szene-Setzung" des "Sardanapal" im entsprechenden, nachfolgenden Kapitel.)

Apropos Finanzen: Einen interessanten Aspekt griff noch das Neue Wiener Tageblatt in einem Leitartikel (!) auf - und zwar deshalb, weil, wie es notiert, "die Neubesetzung irgend einer Rolle in einem Theaterstücke für einen großen Theil der Bewohner unserer Stadt eine interessantere Thatsache bildet, als irgendein Personenwechsel innerhalb des Ministeriums." Und dann wird vorgerechnet, dass das neue Opernhaus um rund 6 Millionen Gulden aus dem Stadterweiterungsfonds finanziert würde, sowie dass im Budgetposten "Allerhöchster Hofstaat" für 1868 320.000fl und für 1869 200.000fl veranschlagt seien. Aus diesen etwas über 500.000fl würden Dekorationen, Kostüme, Musikinstrumente etc. bestritten. Während es nun mit dieser halben Million durchaus seine gesetzmäßige Richtigkeit habe, weil diese über das Abgeordnetenhaus als zum Staatsbudget gehörig ratifiziert worden sei, so befinde sich hingegen dieser Stadterweiterungsfonds gewissermaßen als "Oase des Absolutismus" fern jeglicher körperschaftlichen Kontrolle, was aber, da es sich um "öffentliches Gut" handle, einem konstitutionellen Staate nicht entspreche. Deshalb kommt dieser Leitartikel zum Schluss, dass das "Operntheater keine Hof- sondern eine Staatsanstalt" sei: "Es ist nicht gut denkbar, daß der allgemeine Säckel alle Kosten bestreitet und daß nur die betreffenden Hofämter befehlen und zu verwalten hätten, ohne irgendwelcher Verantwortlichkeit in konstitutionellem Sinne unterworfen zu sein."

Unter den Gästen des Hauses war auch der Direktor der großen Pariser Oper, Herr Perrin, der zwar eingeladen gewesen war, aber angeblich erst am Samstag vor der Vorstellung "durch den Fürsten Metternich um eine Karte ersuchen ließ" . Das Urteil des Herrn Perrin, auf das man großen Wert legte - den in gewissem Sinne war der Neubau der Wiener Oper auch ein Konkurrenzunternehmen zur bisherigen "Opernhauptstadt" Paris, fiel durchaus wohlwollend aus . Perrin erschien es ganz logisch, das neue Haus mit einer Mozart-Oper zu eröffnen, nach einem "Gelegenheits-Prolog" - so die zeitgenössische Übersetzung. "Ich wüßte wenige Theater aufzuzählen, welche eine Oper wie 'Don Juan' doppelt, ja selbst dreifach zu besetzen im Stande wären. Welch' staunenswerter Reichthum an Sopranstimmen, deren, wenn ich nicht irre, fünf sind." Nach allerhand Lob für die Sänger und das Ballett gab es auch das obligate Lob für die organisatorische Großtat des Kollegen Dingelstedt: "Das ist eine gewaltige Campagne und der Director, der sie so glücklich durchgemacht, Herr v. Dingelstedt, verdient berechtigte Anerkennung."

Will man ein Resümee der drei Eröffnungstage ziehen, dann zeigt sich, dass die künstlerische Pracht und die Bequemlichkeit des neuen Hauses ziemlich einhellig gelobt wurden, dass man aber einige Zweifel hegte, ob "Don Juan" die richtige Wahl als "Eröffnungsoper" gewesen sei. Die Architektur hatte gesiegt, der Operngenuss hatte sich noch ein wenig in Grenzen gehalten. Dazu kamen einige Misstöne wegen der Preisgestaltung, so im Sinne "Wer zahlen, d.h. viel zahlen kann, wird mit dem neuen Haus zufrieden sein (..):" Das Problem mit Mozart's Meisterwerk war anscheinend, dass es zu wenig geeignet war, die Vorzüge des neuen Hauses, den großen Bühnenraum und die Bühnentechnik ins Spiel zu bringen, und dass das Publikum von dem neuen Ambiente einfach zu abgelenkt war: "(...() und so kam es, daß es dem "Don Juan" ungefähr so erging, wie in Italien einer dreißigsten Vorstellung der "Favoritin"."

Aber in Summe und vor allem auch organisatorisch war das gewaltige Unternehmen gelungen. Nach den drei Don Juan-Vorstellungen galt es jetzt, das Repertoire im neuen Haus zu konsolidieren. Dafür standen noch rund eineinhalb Monate von Ende Mai bis Mitte Juli 1869 zur Verfügung - in denen es allerdings nicht minder hektisch zugehen sollte. Denn die nächste "Überraschung" wartete schon auf den Hofoperndirektor...
©Dominik Troger

Ende