DAS PARADIES UND DIE PERI |
Home |
Theater an der Wien Dirigent: Giedré Šlekyté
|
Sopran I / Die Peri - Elsa Dreisig |
Auf, auf ins Paradies! „Joy, joy for ever –
my task is done / The Gates are past and Heaven is won!“ Ja, wenn das
immer so einfach wäre – aber so einfach ist das auch gar nicht. Erst
beim dritten Versuch öffnen sich für die Peri die Tore des Paradieses.
Robert Schumanns Oratorium „Das Paradies und die Peri“ wurde konzertant
im Theater an der Wien gegeben. Mit
den beiden eingangs zitierten englischen Verszeilen schließt die
Ballade „Paradise and Peri“ des irischen Dichters Thomas Moore. Sie
stammt aus dem 1817 erschienen Band „Lalla Rookh“, den fünf Jahre
später Friedrich de la Motte Fouqué ins Deutsche übersetzt hat. Für
Schumann war dieses Poem Ausgangspunkt für sein Ende 1843
uraufgeführtes Oratorium. „Peris“ waren damals als Motiv sehr beliebt:
Diese mythologischen Geschöpfe aus orientalischen Märchen, eine Art von
geflügelten Feen, haben zu allerhand Opern und Ballettkreationen
inspiriert. „Das Paradies und die Peri“ wurde allerdings für den Konzertsaal geschrieben und versagt sich schon von vornherein bühnendramatischen Ansprüchen. Mit der durchkomponierten Form hat Schumann formal neues geleistet, die Gattung des Oratoriums modernisiert und mit orientalisch unterlegtem Kolorit „exotisiert“. Inhaltlich wirkt das Werk mit seiner religiös aufgeladenen Erlösungssehnsucht einigermaßen antiquiert, aber man kann „Das Paradies und die Peri“ auch als orientalisches Märchen auffassen, das in einer musikalischen Apotheose endet, in dem der gedankliche Anspruch von Beethovens Neunter Symphonie im Hintergrund mitzuschwingen scheint: durch Schumann im Geschöpf der Peri aber zu individueller menschlicher „Rührung“ destilliert. Dem Werk begegnet man nicht all zu oft, auch wenn es in Wien meines Wissens zuletzt 2008 unter Nikolaus Harnoncourt und vier Jahre später unter Simon Rattle im Musikverein gegeben wurde. Im Theater an der Wien bekam man auch weniger den an der Oratorienliteratur akribisch geschulten Blickwinkel eines Nikolaus Harnoncourt serviert, sondern es wurde unter der fokussierten Stabführung von Giedrė Šlekytė mehr eine unspektakuläre, pragmatisch-romantische Lesart geboten, mit leichten Längen vor der Pause und einem schön herausgehobenen Finale im dritten Teil, durch das sich die Aufführung des Stücks dann gleichsam legitimiert hat. Das Ensemble war in den wesentlichen Partien gut ausgesucht, im Zentrum stand natürlich die Peri von Elsa Dreisig,
die nach ihrem Debüt an der Staatsoper als Micaela im September, sich
jetzt dem Publikum des Theaters an der Wien präsentierte. Elsa
Dreisigs lyrischer Sopran hat hier seine Vorzüge viel überzeugender
ausgespielt als an der Staatsoper und seine Leuchtkraft war für den
Enthusiasmus des Finales gerade richtig. Einen souveränen Eindruck
hinterließ Werner Güra als Erzähler, der mit seinem „Evangelistentenor“ das Banner des „klassischen Oratoriums“ hochhielt. Sophie Rennert gab einen schönstimmigen Engel, Daniel Schmutzhard sang mit angenehmen Bariton, Cameron Beckers Jüngling zeigte tenorale Kante, Levente Páll gab einen bassbösen Tyrannen und Sarah Defrise rundete das Ensemble ab. Das ORF Radio-Symphonieorchester ist bei dieser Art von Repertoire nicht die erste Wahl, war an diesem Abend aber eine sehr gute Wahl, und der Arnold Schönberg Chor durfte sich ohne szenische Aufgabenstellungen ganz aufs Singen konzentrieren, was er auch zur allgemeinen Freude tat. Natürlich
entdeckte ich auch beim zweiten Besuch des renovierten Hauses „neue“
Neuheiten und nachzutragende Neuheiten: der rote Bodenbelag des
Parterres ist einem hellen Parkettboden gewichen; die Lautsprecher, die
jetzt das Bühnenportal rechts, links und oben flankieren, wecken
akustische Befürchtungen; der Boden des Stehplatzes wurde „angebohrt“
und enthält jetzt runde Lüftungsöffnungen, deren Plastikabdeckung dazu
neigen kann, „knarzende“ Geräusche abzusondern, wenn man mal das
Standbein wechselt. Die
Aufstellung der Mitwirkenden war wie beim konzertanten „Idomeneo“ für
das Haus untypisch: die Solisten über dem gedeckelten Orchestergraben
postiert und somit ins Auditorium quasi „vorgeschoben“, das Orchester
fächerte sich auf der flachstufig leicht ansteigenden Bühne auf,
dahinter war der Chor positioniert. Schon beim „Idomeneo“ hatte ich den
Eindruck, dass mit steigender Lautstärke der Klang metallisch
eingefärbt wird, wodurch ein „überscharfer“ Raumklang entsteht. (Das
Theater an der Wien hatte ohnehin schon eine trockene, hellhörige
Akustik.) Allerdings
befand ich mich auch bei der „Pieri“ seitlich „über“ den
Gesangssolisten und der Eindruck kann in der Mitte oder im Parterre ein
anderer sein. Dass man dort auf der Seite am III. Rang die Chordamen
aus dem Lautsprecher gehört hat, war weniger ideal (auch für den II.
Rang wurde mir von seitlich links sitzenden Besuchern dieses „Phänomen“
bestätigt). Laut einem Artikel in der Tageszeitung Standard (online
9.10.24) ist das neue Soundsystem des Theaters an der Wien „(...)
nicht zur Verstärkung von Gesang und Orchester gedacht (…), sondern für
die Erzeugung von Nachhall – und das auch nur im Fall von ausgewählten,
schwierigen Produktionen.“ ** Womöglich ist man
hausintern noch mit Feinabstimmungen befasst, und es wird sich zeigen,
wie sich dieses heikle Thema dann im „Echtbetrieb“ anlässt. Die Aufführung wurde vom Publikum mit starkem mehrminütigem Applaus bedacht. * Zitat aus Stagione 1, Das Magazin des MusikTheaters an der Wien. Ausgabe November/Dezember 2024, S. 14
** https://www.derstandard.at/story/3000000240084/theater-an-der-wien-nach-der-sanierung-zwischen-himmel-und-hoelle [17.11.2024] |